Der Samstag beim Hurricane Festival: Kontrastprogramm von Musik bis Wetter

Von Rock bis Hip-Hop, von Staubwolken bis Starkregen - der zweite Tag in Scheeßel zeigte das Festivalleben in all seinen Facetten.

Casper, Foto: Jörg Kröger

Scheeßel. Am längsten Tag des Hurricane Festivals gab es gestern 14 Stunden lang Musik aus verschiedenen Stilrichtungen auf vier Bühnen. Nach einem heißen und sonnigen Tag überrascht pünktlich um 19:00 Uhr ein abrupt einsetzender Platzregen die Besucher*innen. Abends folgen viele Acts aus der Hip-Hop-Welt, eine geniale Show von Muse und ein krönender Abschluss mit Casper. Texte von Florian Weyers (Flo) und Marcel Kloth (mak).

12:30 Uhr: Kid Kapichi auf der Wild Coast Stage: Unser Tag startet in den Mittagsstunden in der Zeltbühne. Nachdem es vormittags bewölkt war, zeigt sich pünktlich zum Start des musikalischen Programms die Sonne. Die britische Rockband Kid Kapichi kommt mit viel Wucht und abwechslungsreichem Sounddesign daher. Facettenreiche Gitarrenmusik für einen stilsicheren Beginn des zweiten großen Festivaltages. Die Fans sind auf jeden Fall schon voll da und tanzen mögliche Kater- und Müdigkeitserscheinungen einfach weg. (mak)

13:00 Uhr: Fjørt auf der Forest Stage: Schreit alles raus! Das Hardcore-Trio aus Aachen vom Grand Hotel van Cleef ballert seine Songs in die knallende Mittagssonne. Auf der größten Bühne wurde über Nacht umgebaut und ein Steg durch den gesamten ersten Wellerbrecher für einen der heutigen Headliner gezogen. Spoiler: Marteria ist es nicht. Sowas hatten Fjørt bestimmt auch noch nicht vor sich, einen Fuß setzen sie trotzdem mal drauf. Auf das Konzert bezogen tut es gut, einmal richtig durchgerüttelt zu werden. (mak)

13:45 Uhr: Picture This auf der River Stage: Hier passt gerade viel zusammen! Super entspannter und gut gemachter, eingängiger Pop-Rock der fünfköpfigen Gruppe aus Irland. Sommerliche Klänge im dafür passenden Setting. Zwei Akustik-Gitarren bringen angenehme Folk-Einflüsse und zusätzlich zwei elektronische Gitarren den dazugehörigen Druck. (mak)

14:30 Uhr: Zebrahead auf der Forest Stage: Was gestern auf die Donots zutraf, trifft heute auch auf Zebrahead zu. Energetisch wie sie sind, sorgen sie von Minute 1 an für einen staubigen Moshpit nach dem Anderen, nur um dann darauf wieder eine “Wall of Death“ folgen zu lassen. Bei der Mischung aus Punk, Ska, bisschen Pop und bisschen Funk gepaart mit aggressiven Rappassagen, fällt nicht schwer sich dem Springen der Fans anzuschließen. Der für die Headliner am Abend eingefügte Steg in der Mitte der Bühne passt den US-Amerikanern nicht in den Kram. Kommentiert wird das mit „You know, we are not aMUSEd about that!“. Trotz der Trennung vor der Bühne holen Zebrahead die Hurricane-Besucher*innen ab und rufen „Zickezacke! Zickezacke! Zickezacke!“ – „Heu Heu Heu!“ (flo)

15:00: Uhr: James Bay auf der River Stage: Die ersten großen Massen strömen aufs Gelände vor der River Stage um sich den Britischen Singer-Songwriter anzuhören. Pünktlich, auf die Minute, startet James Bay sein Set. Es ist deutlicher Kontrast zu Zebrahead auf der Nachbarbühne zuvor. Mit Blues-Rock-Einflüssen singt er der Sonne gefühlvoll entgegen und sein bekannter Song „Hold back the River“ wird auch vom Publikum laut mitgesungen. (flo)

15:45 Uhr: Bukahara auf der Forest Stage: Wenn man den Auftritt von Bukahara beschreibt, dann ist er eine allumfassende Wohlfühlparty. Gute Laune wird bei ihnen GROß geschrieben. Es kommt einem vor als würden die sympathischen Jungs aus der Nachbar-WG nebenan eine Gartenparty schmeißen. Diese Sympathien bescherten den Kölnern im vergangenen Jahr eine ausverkaufte „Tales of the Tides“-Tour bis in den April diesen Jahres, obendrauf noch ausverkaufte Zusatzshows und eine treue, laut mitsingende Fangemeinde. Die Grenzen zu den Besucher*innen rechts und links von einem verschwimmen, als sich Reihen bilden und man sich bei den Personen zu beiden Seiten fürs große Schunkeln einhakt. (flo)

16:15 Uhr: Two Door Cinema Club auf der River Stage: Als hätte man im Booking schon von der Wetterlage gewusst. Die Nordiren liefern äußerst tanzbaren Indie-Rock gepaart mit Elektro-Pop-Einflüssen und sind auf einem Festival dieser Größe das wirklich ideale Nachmittagsprogramm. Kein Gesicht ohne Sonnenbrille und/oder breitem Grinsen. Die letzte Veröffentlichung der Gruppe liegt inzwischen bereits vier Jahre zurück, deshalb gibt es natürlich auch neues Material wie „Wonderful Life“ zu hören, das sich stilistisch unmittelbar anschließt. (mak)

16:30 Uhr: Lola Marsh auf der Wild Coast Stage: Den Auftritt starten Lola Marsh aus Tel-Aviv mit technischen Problemen am Gitarrenkabel und nicht hörbaren Drums. Sängerin Yael Cohen nutzt die Gelegenheit und improvisiert einen Song der das Problem beschreibt und wie man damit umgehen soll. Nach dem holprigen Start bringen dann die popigen Beats die Hüften zum kreisen. Lola Marsh haben eine riesen Freude beim Hurricane 2023 dabei zu sein. Eine Band, die es ebenfalls schafft eine hervorragende Korrespondenz zwischen ihnen und dem Publikum zu erzeugen. (flo)

17:15 Uhr: My Ugly Clementine auf der Mountain Stage: Die österreichische Band, aus Wien extra angereist, punkten mit ihren starken Songs, die Statements setzen. Aussagen wie „No! is a full sentence.“ trifft bei den Zuhörenden vor der Bühne auf die richtige Zustimmung und My Ugly Clementine positionieren sich damit gegen das Ausnutzen von Machtstrukturen, bezogen auf die aktuellen Vorwürfe und Ermittlungen gegen den Sänger der Band Rammstein, dessen Umfeld und der Band selbst. Beim Cover von „What’s Up?“ der Band 4 Non Blondes stimmt das ganze Publikum mit ein. Meiner Meinung nach gibt es leider zu wenig Frauen Power Bands, wie My Ugly Clementine eine sind, die auch die Sichtbarkeit in der breiten Masse der Musik haben. (flo)

18:00 Uhr: Chvrches auf der River Stage: Richtig schönen Glam-Pop mit Indie-Wurzeln bieten Chvrches am frühen Abend. Zusammen mit den Electro-Elementen und den 80er-Synthesizer-Vibes lässt es sich energetisch tanzen. Der Sound von Chvrches lässt dich in die Stimme von Sängerin Lauren Mayberry fallen, wie in ein weiches Kissen. Im roten Kleid wirbelt sie über die Bühne. Im Laufe des Auftritts verstärkt sich sogar der Eindruck einer Flamme, die von links nach rechts fegt, weil sie mit roter Farbe in Teilen des Gesichts, dem Hals, oberen Brustbereich und den Armen das Bild komplettiert. (flo)

18:15 Uhr: Alli Neumann auf der Wild Coast Stage: Im Zelt legt die Sängerin mit locker-leichten Melodien los, sie versprüht gute Vibes samt Leichtigkeit und Humor. Sie fühlt sich geehrt, diesen Auftritt spielen zu dürfen und man merkt ihr die Freude darüber tatsächlich an. Den umjubelten Applaus weiß sie zu schätzen und hat sich sich verdient. (mak)

19:00 Uhr: Kaffkiez auf der Mountain Stage: Kurz bevor Kaffkiez auf die Bühne kommen setzt überraschenderweise Regen ein. Man denkt, es seien nur ein paar Tropfen, was bis zu dem Zeitpunkt eine willkommene Abkühlung ist, aber einige Minuten später öffnet der Himmel die Schleusen. Ironische Situation: Kaffkiez singen „Himmel blau“ aber das Gegenteil ist der Fall. Knappe halbe Stunde unterbrechen sie ihr Set und geben dann ihre Hits zum Besten. (flo)

19:45 Uhr: The Lumineers auf der River Stage: Wenn Luminieers auf der Bühne spielen hat man den Eindruck einer großen Familie, die es genießt zusammen Musik zu machen. Entspannter Folk-Rock am Abend. „Ho Hey“ können alle Menschen mitsingen. Auch die Sonne lässt sich wieder blicken, verabschiedet sich langsam schwindend hinter den Bäumen und schafft so eine wohlige Atmospäre aus Licht mit Musik. (flo)

20:15 Uhr: Pascow auf der Wild Coast Stage: Während Madsen und Kaffkiez zeitgleich spielen, erlebt das Hurricane einen Wolkenbruch wie lange nicht mehr. Platzregen lässt die Leute in Unterstände fliehen, immerhin hat sich das mit dem Staub jetzt erstmal erledigt. Also: Trocknen bei Pascow und sie machen ihre Sache sowas von genial. Eine Stunde Punkrock-Potpourri durch sieben Alben, wahnsinnig drückend, packend und energetisch. Fliegende Becher, Moshpits, der Regen wird zu Schweiß. Nur geil! Und: Endlich mal ein Sänger, der während des Auftritts Bier statt stilles Wasser trinkt. Mit die besten 60 Minuten des Festivals. Zeigt mir einen, der was anderes behauptet und ich zeig euch einen Lügner. (mak)

22:00 Uhr: Rin auf der River Stage: Der Abend des zweites Festivaltages steht zum großen Teil im Zeichen des Hip-Hops. Einer der angesagtesten Acts dieses Genres ist Rin, der spät abends auf der zweitgrößten Bühne auftreten darf. Ganz alleine steht er da oben, zwischen Podesten und schwebenden Bauten. Durch Bässe, Effekte und Nebenmaschinen wirkt es trotzdem rund – dennoch würde ihm auch ein Schlagzeuger und Gitarrist gut stehen, wie es das in TV-Auftritten schon gegeben hat. (mak)

23:00 Uhr: Muse auf der Forest Stage: Wahnsinnig imposant eröffnen Muse ihre Headliner-Show. Aktuell auf „Will of the People“-Welttournee spielen sie ihren Titelsong des Abends, im Hintergrund das brennende Symbol aus den Anfangsbuchstaben ihres Albums. Mit der besten Bassline, die ich kenne, legen sie mit „Hysteria“ direkt nach. Der Steg in der Mitte der Bühne, der in die Zuschauermenge weit hineinragt, wird vollends ausgenutzt. Wechselndes Bühnenbild, riesige Bühnenfigur, Pyro, LED-Effekte und Konfettischlangen; Muse trumpfen richtig auf, wie es sich für eine weltberühmte Band gehört. Die Briten muss man einfach mindestens einmal live gesehen haben. (flo)

00:30 Uhr: Casper auf der Forest Stage: Energiegeladen und voller Adrenalin legt Casper eine halbe Stunde nach Mitternacht los. Bei seiner zweiten Headliner-Show nach 2017 startet er mit dem Titelsong „Alles war schön und nichts tat weh“ – gleichzeitig die ruhigste Nummer im Set und somit eine Art Intro. Es folgt wilde Eskalation, der ganze Platz soll und wird springen. Für den Refrain von „Keine Angst“ holt er, wie übrigens schon vor sechs Jahren, Feature-Gast Drangsal auf die mit unzähligen Blumen und sogar Bäumen dekorierte Bühne. Neu dabei ist Tua für die Hook von „TNT“. Nach dem sehr langen Outro fällt der Blick auf eine verbindende Konstruktion zwischen zwei Hebebühnen hinter dem ersten Wellenbrecher. Über den Köpfen der Besucher*innen rappt er „Blut sehen“. Vor wenigen Tagen hat Casper sein neues Album „Nur Liebe, immer“ für den 24. November angekündigt – die erste Single „Emma“ ist vor drei Tagen erschienen und feiert heute Live-Premiere. Ein gemeinsames Feature mit Marteria, das von vielen erwartet wurde, bleibt übrigens aus, über die Gründe kann man nur spekulieren. Mit Feuerwerk verabschiedet Casper sich um 2 Uhr nachts – Feierabend auf dem Eichenring. (mak)

Seht euch hier unsere Bildergalerie des Tages an:

 


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