Abends um elf

Melancholisch und optimistisch: Element Of Crime begeistern zum Tourabschluss zweimal in der ausverkauften Bremer Glocke.

Foto: Marcel Kloth

Bremen. In der altehrwürdigen Bremer Glocke gibt es eher selten populäre Musik zu hören. Doch kaum eine Band aus dem deutschsprachigen Pop- und Rock-Kosmos passt so gut auf die Bühne des legendären Konzerthauses, wie Element Of Crime. Unter der großen Orgel steht das Quartett, live mit Saxophon und Akkordeon verstärkt, mit melancholisch-chansonesken Songs aus fast vier Jahrzehnten Bandgeschichte. Im Mittelpunkt: Der gebürtige Bremer und Sänger Sven Regener, einer der führenden Pop-Literaten der Republik und ein Meister seines Fachs.

Vor 1.400 sitzenden Besucher*innen bekommt die Musik eine ganz andere Aufmerksamkeit und der Auftritt eine ganz besondere Intensität. Der Applaus ist kräftig, dann wird es schlagartig besonnen ruhig, man wippt mit dem Fuß oder tippt mit dem Finger. Vorab bringen Nora Steiner und Madlaina Pollina aus der Schweiz die Fans in der Glocke mit Akustik-Gitarren, Keyboard und Pop-Rock mit zweistimmigem Gesang in Stimmung. Gerade die Songs des Duos in Schweizer Mundart kommen sehr gut an. Neben dem Soundtrack zum aktuellen Kinofilm „Sophia, der Tod und ich“, ist der Tour-Support von Element Of Crime die zweite große Bühne, die Steiner & Madlaina momentan geboten bekommen. Am 14. November kommen sie als fünfköpfige Band zurück nach Bremen in den Tower Musikclub.

Den ersten Abend des doppelt ausverkauften Konzertbesuchs in der Geburtsstadt von Sven Regener, eröffnen Element Of Crime mit „Unscharf mit Katze“ vom jüngst erschienenen, 15. Studioalbum „Morgens um vier“. Dieses Werk steht bei der aktuellen Tour durch Theater, Philharmonien und besondere Konzerthäuser ganz klar im Fokus. „Wir haben keine Lösung, wir haben Lieder“, heißt es darin. Wenn Probleme schon nicht aus der Welt geschafft werden können, so wird zumindest Hoffnung geboten. Verzweifelter Optimismus mit einer besonderen Note Melancholie.

Diese bringt Sven Regener mit der Trompete in der rechten Hand zu wesentlichen Teilen selbst ein. Aber auch Akkordeon und Saxophon, haben ihren entscheidenden Beitrag in den von der Band getragenen, musikalischen Kurzgeschichten. Filmische Referenzen liegen in dieser Stimmung nahe, so wurde „Immer nur geliebt“ vor 23 Jahren für das Schauspiel „Peter Pan“ von Leander Haußmann geschrieben, heute übernehmen Steiner & Madlaina den Chor der verlorenen Kinder. Für ebendiesen Regisseur und seinen Film „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“ entstand 2008 das Stück „Ein Hotdog unten am Hafen“ – heute einer der beliebtesten Songs der Band.

Bei der Bandgründung im Jahr 1985 sei die Neue Deutsche Welle „mausetot“ gewesen, weder wollte man auf deutsch singen, noch irgendetwas mit Berlin zu tun haben. Englischsprachige Frühwerke schaffen es heute nur noch ganz vereinzelt ins Set, dafür der Song, der die zwischenzeitlich wiedervereinigte Hauptstadt 14 Jahre später erstmals erwähnte: „Jung und schön“ vom 1999er-Album „Psycho“. Heute gibt es kaum eine Band mit so vielen Berlin-Anspielungen und einem so großen Bezug zur Stadt. Ebenso selbstverständlich werden die Publikumslieblinge „Weißes Papier“, „Delmenhorst“ oder „Am Ende denk ich immer nur an dich“ gespielt.

Beim ersten Titel des zweiten Zugabenblocks namens „Vier Stunden vor Elbe 1“ brilliert Schlagzeuger Richard Pappik an der Mundharmonika, bevor es in den letzten Teil des Auftritts übergeht. Nach einem ganz besonderen Abend mit hervorragender Akustik ertönen die letzten Klänge des Tages zu „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ – als die Besucher*innen beseelt aus der Glocke gehen, ist es das auch in Bremen geworden.  „Still ist die Stadt / Die Straßen sind leer / Müde und wach / Morgens um vier“ heißt es im Titelsong des aktuellen Albums. Besser ließe sich der Zustand und die Stimmung abends um elf nicht beschreiben.

 


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