„Bei allen anderen aus der Band rennst Du mit Cola-Korn offene Scheunentore ein“

Der Frontmann der Melodic-Hardcore Band Anchors & Hearts - Manuel Wintjen - im Interview zum neuen Album "Deathlist" und über Konzerte, Korn und Bremen

Anchors & Hearts. Foto: Pasi Hansecore

Bremen/Bremervörde. Die Melodic-Hardcore Band Anchors & Hearts hat am heutigen Freitag ihr neues Album „Deathlist“ veröffentlicht. Grund genug, mal nachzufragen, was sie sich dabei eigentlich gedacht haben. Oder anders gesagt: Wie das Album entstanden ist, was sie bewegt und warum das Release-Konzert in Bremen ist. Sänger Manuel Wintjen hat uns geantwortet. Aber lest selbst.

Gefühlt habt ihr eben noch mit Tiny-Y-Son oder A Chinese Restaurant 
irgendwo auf dem Dorf zwischen Gnarrenburg und Söhlingen gespielt. Jetzt
 gibt es echt schon das fünfte Studioalbum von euch. Was ist da passiert?

Manuel Wintjen: Krass, dass es noch Leute gibt, die unsere alten Bands kennen.

Hallo? Wir sind die totalen Musiknerds. Und ursprünglich kommen wir auch aus dem Landkreis Rotenburg. Sorry, der Einschub musste sein. Jetzt erzähl doch mal.

Wintjen: Das war auf jeden Fall eine geile und wichtige Zeit für uns. Was wir von „damals“ behalten haben ist, dass wir einfach immer noch unfassbar viel Bock haben, Musik zu machen, Songs zu schreiben und Konzerte zu spielen. Der größte Schritt für uns als Band ist sicherlich die Zusammenarbeit mit unserem Label Redfield Records und unserer Bookingagentur The Living Proof Agency seit Ende 2020. Die haben uns echt geholfen, uns an den richtigen Stellen nach vorne zu bringen.

In welchem Zustand habt ihr eigentlich das Album geschrieben und aufgenommen?



Wintjen: Puh, wenn wir dazu jetzt spannende oder lustige Geschichten dazu erzählen sollen, dann wird das schwierig. Unsere Songwriting-Sessions sind immer relativ langfristig geplant, sodass in diesen Blöcken dann auch was bei rumkommen muss. Wir waren wirklich hochkonzentriert und ziemlich effektiv bei der Sache. Sonst hätten wir so schnell nach unserem letzten Album „Guns against Liberty“ nicht wieder ein neues Album nachschießen können. Ein Song wie „After All“ ist sogar über Nacht entstanden. Die zweite Strophe habe ich mir im Auto ausgedacht als ich am Bahnhof auf unseren Produzenten gewartet habe. Das ist ungefähr der Modus in dem wir dann arbeiten 😉.

Apropos Arbeit: Kann man mit euch immer noch fünf Cola-Korn trinken oder seid ihr
 mittlerweile so professionell, dass es rund um die Auftritte nur noch
Wasser gibt?

Wintjen: Hahaha! Das ist eine sehr gute Frage. Also bei allen anderen aus der Band rennst Du mit Cola-Korn nach wie vor offene Scheunentore ein. Da wird dir sogar noch der rote Teppich ausgerollt. Fünf Mischungen vor der Show sind es sicher nicht, aber danach auf jeden Fall. Ich als Sänger muss mich tatsächlich etwas zurückhalten. Gerade, wenn wir mehrere Konzerte hintereinander spielen. Ich habe leider nicht so viel Glück wie andere Sänger, denen Alkohol scheinbar nicht auf die Stimme schlägt. Und wenn es doch mal was gibt, dann ist es bei mir eher Vodka O oder Lemon.

Das Album „Deathlist“ soll „persönliche Geschichten und Gefühle in den
Vordergrund stellen“ heißt es in eurem Pressetext. Was ist bei euch denn
bitte alles passiert?

Wintjen: „Deathlist“ ist definitiv die emotionalste Platte, die wir bisher gemacht haben. Wir haben uns darauf konzentriert, viel persönlicher zu schreiben als auf den Vorgänger-Alben. In zehn Jahren Bandgeschichte erlebt man einfach unglaublich viele tiefeinschneidende Momente – wunderschöne, todtraurige und sehr schwierige. Und natürlich fließen diese Erfahrungen und Gefühle auch in unsere Musik ein.

Der Vorgänger „Guns Against Liberty“ hatte mehr politische
 Botschaften. Wäre das in Zeiten wie diesen – Rechtsruck, Trump, Kriege,
Krisen – nicht gerade viel wichtiger?

Wintjen: Schlimm ist, dass die Songs von dem Album aktueller sind denn je. Wie schön wäre es, wenn diese Songs einfach überflüssig geworden wären. Viele Songs der Platte werden deshalb auf unserer Tour auch Teil unserer Setlist sein. Aber letztlich ging es auf „Guns Against Liberty“ auch um unsere Emotionen in dieser Zeit: Wut, Enttäuschung, Hilflosigkeit. Auf „Deathlist“ sind es halt andere Gefühle und eher persönlichere Geschichten und Erfahrungen als das globale Weltgeschehen. Mit „Wasted Lives“, „The Everlasting“ und „Call Me A Mascot“ sind auch wieder rebellische Tracks vertreten, die sich sicherlich auch auf der „Guns against Liberty“ wohlgefühlt hätten. Dennoch wuchs während der Sessions zu „Deathlist“ immer mehr der Drang, wieder persönlicher zu schreiben. Ich habe zur Zeit des sogenannten „Emocore“ angefangen Musik zu machen und Songs zu schreiben und irgendwie fühlte sich das mal wieder richtig an, über das Leben und über Gefühle zu schreiben.

Was hat sich bei euch musikalisch getan? Seid ihr besser, anders,
neuer geworden? Melodischer Hardcore, (Pop)-Punk, Screamo und Metal – was macht ihr eigentlich genau für Musik? Also in welche Schublade kann ich euch stecken?



Wintjen: Das ist wahrscheinlich unser größtes Problem, dass selbst der Spotify-Algorithmus nicht mehr weiß welchem Genre er uns zuordnen soll. Wir haben tatsächlich fast alle von dir genannten Stile irgendwie verarbeitet. Auf „Deathlist“ sind sogar erstmals Rap-Elemente dabei, wenn Du Dir „Wasted Lives“ oder „The Everlasting“ anhörst. Wir haben ehrlich gesagt keine Lust dazu, Album für Album einfach nur das gleiche Muster abzuspielen. Trotzdem klingt es aus unserer Sicht nicht komplett ausgewechselt, sondern immer noch eindeutig nach Anchors & Hearts.

Mittlerweile seid ihr ja eigentlich eine Hamburger Band. Warum startet ihr eure Album-Tour in Bremen?



Wintjen: Unser Bremen-Bezug ist schon noch groß. Es wohnt nur ein kleiner Teil von uns in bzw. bei Hamburg. Der Rest verteilt sich irgendwo im Elbe-Weser-Dreieck. Bremen als Tourauftakt war für uns eigentlich gesetzt, da wir schon einige Jahre nicht mehr hier waren. Zudem wird es unsere allererste Headliner-Show in Bremen. Es wird also dreifach spannend: Erste Headliner-Show, Record-Release-Show und Tourauftakt. Und in Hamburg sehen wir uns dann im Dezember zum Jahresabschluss wieder.


Was erwartet mich eigentlich bei eurem Konzert im Tower? Kann ich
danach schlafen oder bin ich dann so aufgekratzt, durchgepustet und hab
ein Rauschen im Ohr, dass das nicht mehr geht?

Wintjen: Du wirst mit einem breiten Grinsen nach Hause gehen. Es wird laut, wild und lustig. Und ja, dazu gehört auch ein kleines Pfeifen im Ohr. Während der Show gibt es aber bestimmt 1-2 Verschnaufpausen. Wir sind ja alle keine 20 mehr.

 


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