Entspannt und euphorisch
Mit euphorischen Momenten, entspanntem Charakter und einem Heiratsantrag zum Abschluss fand das Rocken am Brocken Festival im Harz statt.

Elend. Bereits im zwölften Jahr hat am vergangenen Wochenende das großartige Rocken am Brocken Festival im Nationalpark Harz stattgefunden. Unter dem Motto „Natur, Musik und Freundschaft“ haben 5.000 Besucher zu etablierten Headlinern und musikalischen Geheimtipps getanzt, bei verschiedenen DJs gefeiert oder einfach in der Hängematte auf dem Festivalgelände entspannt. Als bekannteste Acts waren in diesem Jahr Mighty Oaks, Von Wegen Lisbeth und Olli Schulz dabei.
Schon die Anfahrt zum Ort mit dem kuriosen Namen „Elend bei Sorge“ ist ein Highlight, es sind sehr kurvige Strecken mit steilen Anstiegen, die direkt einen Eindruck vom Charakter der Festivalumgebung machen. Das Gelände liegt mitten auf einer Lichtung umgeben von Wäldern. Regelmäßig fährt eine Dampflock mit winkenden Fahrgästen vorbei zum Gipfel des Brockens.
Das Innengelände ist trotz des in Rekordzeit ausverkauften Festivals etwas kleiner geworden. Brockenbühne und Jägerzirkus-Zelt haben die Plätze getauscht, alles ist ein wenig enger zusammengerückt. In der Hexenhütte gibt es vor den DJs Poetry Slam und Singer-Songwriter zu hören, im Zauberwald wartet ein riesiger, aus Holz mühevoll gebauter Wolf mit Künstlern elektronischer Musik auf die vor allem nachts zahlreich anwesenden und feiernden Besucher. Das Gelände ist gespickt mit Sofas, Hängematten, einer Fotobox sowie aus Holz und Stöcken gebastelten Waldtieren.
Eine Besonderheit aufgrund der Hitze sind vor der Bühne aufgestellte Wasserzerstäuber, die regelmäßig mehrere Liter feine Tropfen in die Höhe bis zu 20 Meter weit und in alle Richtungen vor die Brockenbühne schießen. Es ist eine willkommene und gern genutzte Abkühlung. Durch die Waldbrandgefahr wurde ein Grill- und Rauchverbot erlassen, dies ist nur an festen und überwachten Plätzen möglich. Der grüne Charakter des Festivals wird in diesem Jahr unterstrichen durch die eingeführte Mülltrennung, die von den Besuchern ebenfalls angenommen wird.
Musik von drei Kontinenten am Eröffnungstag
Eröffnet wird das musikalische Programm am frühen Abend durch den Auftritt der Kraftklub-Schwestern Blond auf der Brockenbühne. Mit We Are Scientists aus New York tritt später der erste bekanntere Act auf. Die US-amerikanische Band spielt entspannten Indie-Rock, der sich gut als Einstimmung auf die folgenden Tage eignet. Es folgt der Auftritt von Vök im Zelt. Die vierköpfige Gruppe aus Island spielt Dream-Pop mit klarem Fokus auf den E-Drums. Es kommt die für das Genre typische Stimmung auf, ins Ohr gehen die Songs aber nicht auf Anhieb. Im Zelt spielt abends mit Sängerin Noga Erez sogar eine Musikerin aus Israel.
Als nachts mit dem Konzert von Von Wegen Lisbeth ein Headliner bevorsteht, wird es vor der Hauptbühne zum ersten Mal rappelvoll. Die Band aus Berlin spielt vor einer Kulisse aus Grünzeug und Topfpflanzen und liefert einen routinierten Auftritt ab. Auch wenn die exzentrische Musikgruppe schon das dritte Jahr in Folge mit ihrem Debütalbum „Grande“ durch Deutschland zieht, machen Von Wegen Lisbeth beim Zuhören noch immer unheimlich viel Spaß. Außerdem ist die Setlist mit ein paar neuen Songs gespickt. Tradition hat der anschließende Auftritt von DJ !Mauf im Jägerzirkus. Mit vielen Hits von Künstlern der letzten Jahre wie Kraftklub, Madsen, AnnenMayKantereit und Portugal. The Man startet das Set, zu dem viele bis tief in die Nacht feiern.
Hip-Hop, Punk und melancholische Momente
Nachdem rekordverdächtigte Schlangen vor dem Waldfreiband von Elend am nächsten Morgen den Drang vieler Leute nach einer Erfrischung symbolisieren, steht später die Newcomer-Band Sind auf der großen Brockenbühne. Zwischen die Songs des Debütalbums passt ein Eros Ramazotti-Cover sowie verschenktes Merch an jene Fans, die alte Songs als erste erkennen.
Angenehmen Folk-Rock in der Hexenhütte spielen wenig später Son, denen man sehr entspannt und gut zuhören kann. Lauter und wilder ist es dagegen bei Swiss & Die Anderen vor sehr vielen Fans am Nachmittag. Gleich zu Beginn gibt es Pyro auf der Bühne, das Kollektiv mischt Rap und Punk mit Elektro-Einflüssen. Neben motivierten Ansagen gegen Rechts wird viel Wasser in die Menge auf die schwitzenden Fans gespritzt. Im Zelt dagegen läuft Juse Ju zur Höchstform auf und hat auch ganz alleine auf der Bühne keine Scheu oder Schwierigkeiten, seine Fans zu unterhalten. Abgerundet werden die Rap-Tracks eine Zeit lang durch eine Breakdancerin im Hintergrund.
Eingängigen Punkrock mit ironischen Ausflügen ins Indie-Genre gibt es von Massendefekt aus Düsseldorf, die ganze 75 Minuten spielen. Spezielleren Punk für Kenner und Freunde des harten Genres liefern Love A im Zelt, womöglich durch die enorme Hitze im Zelt bedingt, gibt es jedoch immer wieder Probleme mit dem Mikrofon. Songs aus dem Leben singt abends Headliner Olli Schulz, der zwar auch live seine Entertainer-Qualitäten auspackt, insgesamt aber ernster und melancholischer als im TV auftritt. Der Fokus liegt hier ganz klar auf der Musik mit nachdenklichen Texten und Wortwitz, Klamauk gibt es nicht. Viele Rap-Fans feiern in der Nacht noch bei Zugezogen Maskulin, die Rocker springen dagegen bei Blackout Problems im Zelt.
Feiernde Securities und ein Heiratsantrag
Abkühlung oder Akustikpfad? Schon früh am Samstag können bis zu 5.000 verschlafene Besucher eine Entscheidung treffen. Im Zeitplan wird derweil umstrukturiert. Provinz aus der Nähe vom Bodensee springen spontan als Eröffnungsact auf der Brockenbühne ein und spielen mal verträumten, mal energischen Pop-Rock, der zum Entspannen und Genießen einlädt und schnell überzeugt. Eine Entdeckung des Wochenendes!
Nachdenkliche Texte zu tanzbaren und elektronisch beeinflussten Grooves gibt es von Yukno im Zelt, bevor Faber auf der Hauptbühne vor einem goldenen Vorhang und zwischen fünf großen Spiegeln auftritt. Es ist ein Konzert voller Energie vor textsicheren Fans, die Securities feuern die Menge zusätzlich an. Nur erfrischendes Wasser aus den aufgereihten Kanonen bleibt ihnen verwehrt. Als die offizielle Spielzeit vorbei ist, geht die Band einfach ins Publikum zwischen die Besucher und spielt dort unplugged noch ein paar Songs inklusive „Bella Ciao“-Cover. Per Crowdsurfing wird Faber schließlich zurück auf die Bühne transportiert.
Die Headliner Mighty Oaks wiederholen ihren Eröffnungssong nach technischen Problemen einfach und streichen dafür später ein Lied aus der Setlist. Zur Überbrückung der Störung stimmt das Publikum spontan „Angels“ von Robbie Williams an und wird dafür auch wieder mit Wasser berieselt. Es ist ein vergleichsweise ruhiges Konzert an diesem Wochenende mit verträumten Momenten und schönen Augenblicken, als tausende Besucher den bekannten Hit „Brother“ mitsingen.
Wie der Harz gehört eine Band seit nunmehr sechs Jahren fest zum Rocken am Brocken dazu. Razz spielen in diesem Jahr als letzte Band auf der Hauptbühne und feiern abschließend mit tanzbarem Indie-Rock. Einen ganz besonderen Moment gibt es, als Besucher Jannik seiner Freundin und Mutter des gemeinsamen Kindes vor vielen Menschen einen Heiratsantrag macht. Die beiden haben sich vor einigen Jahren auf dem Festival kennengelernt.
Vorverkauf für 2019 bereits gestartet
So geht nach drei Tagen ein großartiges Festival mit mitreißenden Konzerten und euphorischen Momenten zu Ende. Es fühlt sich wirklich an wie Festivalurlaub mitten im Nationalpark. Bereits jetzt können die Tage vom 1. bis zum 3. August 2019 im Kalender markiert werden, dann wird das 13. Rocken am Brocken stattfinden. Tickets gibt es bereits im Onlineshop.
Text: Marcel Kloth
Text und Fotos: Malte Löhmann
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