Hellseatic Festival 2024 – Endlich ein „Metal“-Festival im Herzen der Stadt

Die diesjährige Ausgabe des Hellseatic Festivals fand auf dem Gelände des Schlachthofs statt. Am Start waren dabei Hochkaräter wie AHAB, Rotor, Monkey3 und Ultha. Da haben wir es uns natürlich nicht nehmen lassen, für euch mit dabei zu sein.

Hellseatic 2024. Foto: pfa

Bremen. Bei bombastischem Wetter betrat ich am Freitagnachmittag das Gelände des Schlachthofs und war sofort vom regen Treiben und der durchdachten Gestaltung des Areals umgehauen. Es tummelten sich zahlreiche Besucher an den Foodtrucks, dem großen Merchzelt, oder dem in das Festivalarea eingebundene „Lugger“. Für mich hieß es aber erst einmal rein, denn EF hatten schon mit ihrem Set begonnen.

Hier gab es eine Portion Post-Rock auf die Ohren. Genau das richtige, um nach einer harten Arbeitswoche ins Wochenende zu starten. Die Göteburger legten bei sehr gutem Sound schon stark vor und man konnte sich gelassen auf den Rängen der Kesselhalle vom dichten Soundgewand einhüllen lassen. Die zum größten Teil instrumentalen Klänge der Schweden wurden perfekt mit einem Teppich aus Synthesizern und Cello unterlegt und erzeugten schon fast den Charakter einer Filmmusik. Da hätte ich mir sehr gerne eine visuelle Untermalung, begleitend zur Musik gewünscht. Aber was soll’s! Die Göteburger haben auf jeden Fall geglänzt.

Nun ging es runter in den Magazinkeller zu Agriculture. Bei gefühlten drölftausend Grad und -23% Prozent Sauerstoff, leider eine Tatsache welche sich über die gesamte Zeit des Festivals auf der kleineren Stage zutragen sollte, stand nun Post-Black Metal auf dem Zettel. Das Quartett aus Los Angeles konnte auf einen gut gefüllten Magazinkeller blicken, welcher jeden Scream von Sängerin Leah abfeierte. Auch erstaunlich ist, dass man die Truppe welche sich erst 2021 gegründet hat und erst ein Album vorweisen kann, schon hierzulande sehen kann. Da haben die Booker auf jeden Fall den Riecher in den richtigen Ecken. Das knapp 35 Minuten andauernde Set verflog in Windeseile, aber leider auch relativ ereignislos. Also wieder ab nach oben.

Wieder in der Kesselhalle angekommen, stand nun der heimliche Headliner des Tages auf der Bühne. Ultha aus Köln haben die Kesselhalle in dichten Nebel gehüllt und feuerten ihren sehr melancholischen Black Metal in die gut gefüllte Location. Das dichte Soundgewand der Kölner wurde fast ausschließlich in statisches rotes Licht getaucht, was die gesamte Kulisse noch außerweltlicher wirken ließ. Auch wurden hier und dort einige Synth-Elemente eingestreut, welche auf dem Papier eher den 80’s-Post-Punk-Anschein erwecken würden, aber im Konzept des Fünfers außerordentlich gut funktionierte. Eine knappe Stunde dauerte das Vollgasspektakel, in welcher weder Ansagen, noch weitere Publikumsinteraktionen stattfanden. Hier stand das Feeling klar im Vordergrund.

Für mich ging es nach der grandiosen Show aber leider schon ab nach Hause, um für den zweiten Festivaltag fit und ausgeschlafen zu sein.

Der Samstag startete für mich mit einer lokalen Institution, Clear Sky Nailstorm. Die vier Bremer konnten zum frühen Nachmittag schon auf einen ordentlich gefüllten Magazinkeller blicken. Leider war die Bewegungsfreude der Anwesenden, den enormen Temperaturen im Venue geschuldet, nicht sonderlich hoch. Aber dennoch bolzten die Jungs ihren leicht rumpeligen Thrash in die anwesende Meute und diese nahm es auch dankend an. Stimmlich sehr nah am alten Angelripper, aber technisch anspruchsvoller, bolzten die vier durch ihr knapp 30 Minuten kurzes Set. Für mich ein sehr guter Start in den zweiten Festivaltag.

Aber nun schnell nach oben, denn aus dem großen Saal hörte man schon die ersten Töne von A Swarm of the Sun. Der shoegazige Post-Rock der Schweden war ein harter Kontrast zum gerade gehörten Highspeed-Thrash-Metal und ich brauchte ein paar Takte, um mich wieder in die langsame, drückende Atmosphäre einzufinden. Ab da hatten die Schweden einen aber schon längst gepackt und mit ihren rollenden Keyboard-Teppichen eingehüllt. Hier war ebenfalls schon nach 30 Minuten wieder Schluss und es ging wieder runter in den Magazinkeller.

Unten angekommen wurde nun wieder das Gaspedal durchgetreten, dieses Mal bis auf’s Bodenblech. Final Plague drückten ihren HM-2-lastigen Deathmetal in die kleine Sauna und mit jedem neuen Riff erhöhte sich gefüllt die Temperatur um ein paar Grad. Souverän bolzten die Bremer ihr, für mich als Deathmetal-Liebhaber leider zu kurzes, Set durch. Die vier Mannen zockten ein sehr solides Set, welches zum Großteil aus der im letzten Jahr auf den Markt geschmissenen EP und hier und dort neuen Songs bestand. Auch hier war der Spuk nach einer halben Stunde vorbei und es ging in Windeseile wieder hoch in die Kesselhalle.

Dort angekommen waren auch schon E-L-R im Gange. Und ich kann euch sagen, der atmosphärische Doom des Schweizer Trios hat gedrückt! Die beiden Frontdamen standen sich dabei gegenüber und feuerten ein schweres Riff nach dem nächsten in die gut gefüllte Kesselhalle. Aufgelockert wurde die gesamte Show durch ausschweifende, auf Post-Metal basierenden Passagen. Dabei wurden die Schweizer gefühlt eins mit ihrer sehr reduzierten Lichtshow und der mit Pflanzenstücken dekorierten Bühne. Hier hieß es einfach hinsetzen, einfangen lassen und genießen. Ein echtes Highlight des Tages.

Als nächstes standen dann Surgical Strike in den Startlöchern. Leider hatten die Hannoveraner ebenfalls mit den unerträglichen Temperaturen im Magazinkeller und dem daraus resultierenden, aus dem letzten Loch pfeifenden Publikum zu kämpfen. Die fünf legten dennoch ihren an die Bay-Area-Schule angelehnten Thrash mit Bravour auf die kleine Bühne. Da merkte man einfach, dass die Jungs in der Regel größere Bühnen gewohnt, für mich waren sie eines der „Must-See“ des Festivals. Die aktuelle Scheibe „24/7 Hate“ sei auch jedem Thrash Metal-Enthusiasten wärmstens ans Herz gelegt, denn die Jungs sind ein ganz heißes Eisen der aktuellen deutschen Thrash-Szene.

Nun war aber endlich ein kleines Päuschen angesagt, denn was das Festival neben den vielen abwechslungsreichen Bands ausgemacht hat, war die ganzen bekannten Nasen, welche hinter jeder Ecke gelauert haben, wiederzusehen. Also ging es daran, mal die wirklich hervorragende Auswahl an Futterbuden zu testen und sich die erste Hopfenschorle des Tages zu genehmigen. Nach ein paar netten Gesprächen und genossenen Sonnenstrahlen ging es dann auch schon zum nächsten Act, wieder in den Magazinkeller.

Monosphere aus Mainz waren für mich die Entdeckung des Wochenendes. Die fünf Jungs konnten mit super modernem, djentigen Progressive-Metal auftrumpfen. Dieser wurde aber gekonnt mit teilweise an Post-Black-Metal erinnernden Passagen versetzt, sodass die tiefen Staccato-Riffs dadurch ordentlich aufgelockert und die ganze Nummer eine gewisse Abwechslung erhielt. Auch hatten die Jungs, für die minimalen Platzverhältnisse des Magazinkellers, eine ordentliche Lightshow aufgebaut. Hut ab davor und ein ganz klarer Reinhörtipp meinerseits.

Weiter ging es dann mit The Pill, welche ebenfalls den Magazinkeller unsicher gemacht haben. Hier gab es eine Portion Punkrock mit einem Touch Hardcore auf die Ohren. Ganz klar Front and Center der Frankfurter war Sängerin Sam, welche nicht nur optisch, sondern auch stimmlich „The Pretty Reckless“-Frontfrau Taylor Momsens kleine Schwester hätte sein können. Die Show ging erstaunlich gut rein, gab mir aber leider nicht allzu viel. Schade, da mit einer solchen Kombination eigentlich der Hitfaktor vorprogrammiert scheint.

Nun standen aber die Headliner des Samstags an. AHAB haben sich für diesen Abend sogar ein besonderes „Best-Of“-Set aus ihrer 20-jährigen Bandgeschichte aus den Rippen gezogen. So führte einen der tiefe, schwere Funeral Doom der Mosbacher über Geschichten von Moby Dick, bis hinunter in die Tiefe von 20.000 Meilen unter dem Meer. Ich habe selten ein Konzert so entspannt genossen, denn man konnte sich gemütlich in die oberen Reihen der Kesselhalle setzten und sich von den, in super heavy Riffs verpackten, Geschichten von Poe, Hodgson, oder Verne entführen lassen. Der Gesang der Band wechselte, je nach Thematik, von glasklaren Melodien, zu tiefen Growls. Auf jeden Fall ein besonderes Erlebnis und ich konnte dann Richtung Heimat in See stechen.

Das Hellseatic konnte auf jeden Fall mit einem super abwechslungsreichen Line-Up punkten, welches für jeden Geschmack keine Wünsche offenließ. Aber, wie schon betont, waren die Atmosphäre, die Leute und auch die Location einen Besuch wert. Ich hoffe, im nächsten Jahr dort wieder zu Gast sein zu dürfen.

Seht euch hier unsere Festivalbilder des zweiten Tages an:

 


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