Eine orchestrale Premiere

Zwischen Virtuosität, Inbrunst und Genuss: Faber hat sein kommendes Album im exklusiven Rahmen der Kulturetage Oldenburg erstmals vor Publikum präsentiert.

Faber

Oldenburg. Fünf Jahre nach seinem letzten regulären Studioalbum, veröffentlicht der Schweizer Musiker Faber am 7. Juni seinen dritten Langspieler namens „Addio“. Alle Käufer*innen von Bundles haben auf der aktuell laufenden Clubtour exklusiv die Gelegenheit, den Künstler mit neuen Songs mehrere Monate vor Release im kleinen und persönlichen Rahmen zu sehen. Der Auftakt fand vor einigen Hundert Fans in der Oldenburger Kulturetage statt.

Der Beginn der krankheitsbedingt um einige Monate verschobenen Tour ist gleichzeitig das erste Konzert seit sehr langer Zeit für den 30-jährigen Schweizer und die „Goran Koč y Vocalist Orkestar Band“, mit der er schon während seiner ganzen Laufbahn unterwegs ist. Diese Band wurde für die Tour erweitert, insgesamt stehen neun Personen auf der Bühne, einige von ihnen sind heute zum ersten Mal dabei. Sie spielen in besonderer Instrumentierung: Violine, Bratsche, Cello, abwechselnd oder gleichzeitig Schlagzeug und Posaune sowie Percussion und Background-Gesang sind durchgängig dabei, so entsteht wirklich ein vollwertiges Orchester, das die ganze Bühne einnimmt. Seitlich von ihnen sitzt Goran Koč, der bürgerlich Silvan Koch heißt, als Bandleader am Klavier, er ist der Klebstoff der Gruppe, der virtuose Organisator, der still wirkende Mittelpunkt, der die ganze Band mit seinem Spiel zusammenhält.

Diesem Orchester gibt der sonst im Mittelpunkt stehende Faber den Raum für ausgiebige, instrumentale Parts, verschwindet auch mal ganz von der Bühne. Die Musik ist hochklassig arrangiert und begleitet Faber während eines langen, bemerkenswerten und abwechslungsreichen Konzerts. Wenn die ganze Band nach dem Chor mit dem Publikum bei „Widerstand“ einsetzt, das grandiose „Das Letzte“ vorträgt oder alles in das bekannte und stimmungsvolle „Alles Gute“ wirkt, ist es die pure Freude, ihnen zuzusehen.

Zwei neue Songs von „Addio“ bilden den Auftakt des Konzerts. Gleich zu Beginn berichtet Faber von Zweifeln während seiner Krankheit, ob das Musikerleben noch das richtige Leben für ihn ist – diese Zweifel seien in den ersten Momenten auf der Bühne aber sofort verflogen. In der theaterähnlichen Atmosphäre der Kulturetage brandet ihm großer Jubel und Applaus entgegen. Er spielt sein gesamtes neues Album fast vollständig in der ersten Konzerthälfte. Nach temporeichem Beginn schlagen Faber und seine Band dann plötzlich ganz ruhige Töne an.

Mit tiefer, kräftiger Stimme steht er breitbeinig vor dem Mikrofon und singt inbrünstig, er schreit es förmlich heraus, wirkt dabei trotz der selbstwussten Erscheinung ganz zerbrechlich. Eben noch mit voller Bandkraft unterstützt, singt er a cappella und steht alleine im Scheinwerferkegel. Das Publikum verfolgt den besonderen Moment ruhig und aufmerksam, oben auf dem Rang sitzen einige Leute auf den gepolsterten Klappstühlen, lauschen und genießen.

Solo mit Akustik-Gitarre geht Faber vom bereits bekannten „Ihr habt meinen Segen“ über zum neuen, zweiten Teil des Stücks. Das Glück der Protagonisten ist vergangen, die Liebe nach einigen Jahren verblasst. Eine unglaublich schonungslose, intensive und direkte Darstellung, nach der er für die Zukunft noch einen dritten Teil mit einem schönen Ende andeutet – denn „die schlechten Storys kennt man schon von sich selbst, dann können wenigstens die ausgedachten charmanter sein“.

Nachdem Faber im Jahr 2020 mit Sophie Hunger und Dino Brandão das Album „Ich liebe dich“ in Schweizer Mundart veröffentlicht hat, präsentiert er nun in der Mitte des Sets eigene, neue Songs auf Italienisch, die ebenfalls auf „Addio“ zu finden sind. Einer von ihnen ist „Pirdutu cori“, ein sizilianisch-schweizerisches Requiem und der erste Song, den er mit seinem Vater Pippo Pollina geschrieben hat. Gleichzeitig ist Dino Brandão nun auch Teil der „Goran Koč y Vocalist Orkestar Band“ und steht auf der Bühne in erster Reihe direkt neben Faber.

Als das Set und die Zugabe beendet sind, das Licht angeht und sich die ersten Besucher*innen schon auf den Heimweg machen, kommt die ganze Band noch einmal auf die Bühne. Trotz der bisherigen Spielzeit von zwei Stunden und 15 Minuten haben sie immer noch Lust und wollen nach der langen Durststrecke noch nicht von der Bühne gehen. Spontan spielt die neu zusammengestellte Band erstmals improvisiert Stücke, die vom Publikum hineingerufen werden.

Zunächst darf Dino Brandão das Schweizer Volkslied „Euse Rosegarte“ vortragen, auf die eigene Ballade „Lass mich nicht los“ folgt ein „Umbrella“-Cover. Akustisch spielt Faber „Das Boot ist voll“, bevor auf Zuruf der Wunsch nach „Derfi di hebe“ vom besagten 2020er-Trio-Album über Liebe aufkommt. Das hat die neunköpfige Band so noch nie gemeinsam gespielt. Also schnell die Tonart besprechen, Instrumente stimmen, loslegen, verspielen, neu starten. Es gelingt schließlich hervorragend – noch eindrücklicher wird es bei der Jazz-Version von „Es wird ganz groß“, das für viele ebenfalls neu ist und das von Faber mit einem schnippischen „Macht mit, wo ihr Lust habt“ schnell gestartet wird. Es steigert sich dramatisch bis zur vollen Besetzung und klingt besser als bei so mancher Band nach tagelangen Proben. Es sind eben echte Profi-Musiker*innen am Werk.

Nach dem spontanen Spannungsbogen in der Zugabe folgt noch einmal mit voller Kraft „So soll es sein“ inklusive vierhändigem Klavier-Outro und schließlich der wirklich finale Abschluss mit „Tausendfrankenlang“ – der große Schlusspunkt eines dreistündigen, wahnsinnig abwechslungsreichen Konzerts mit sehenswerter Kunst und zahlreichen Wendungen, das wohl keine beteiligte Person so schnell vergessen wird.

Seht euch hier unsere Konzertfotos an:

 


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