Wohin auch immer

Zwei Blondinen, ein Kaffee, das Notebook und was daraus wurde.

 

Wie Du den Rosenmontag immer gehasst hast. Nein, diese Feierei war nichts für dich. Und dann: Dann sitzt du frühmorgens im Auto mit zwei bezaubernden, blonden Frauen. Es ist 4.30 Uhr und du hast zu viel Promille im Blut. In zweieinhalb Stunden sollst du aufstehen. Sie haben versprochen dich nach Hause zu bringen. Schließlich ruft die Arbeit. Doch diese heißen Blondinen biegen nicht in deine Straße ab. Sie fahren weiter. Und halten vor einem großen, weißen Haus. Nur auf einen Kaffee sollst du mitkommen. Sie flüstern. Sie lachen. Nur eine Tasse. Warum eigentlich nicht? Jetzt noch zu schlafen, wäre sinnlos. Also ab in die Wohnung der beiden Grazien. Schließlich kannst du noch schnell auf Toilette gehen, während sie den Kaffee aufsetzen. Fast fühlst du dich heimisch.

Szenenwechsel: Kennt Du dieses Gefühl, nach einer durchzechten Nacht mit Kopfschmerzen aufzuwachen? Du spürst einen ekelhaften, bitteren Geschmack im Mund? Du gehst zum Kühlschrank, nimmst den Maracujasaft heraus und trinkst einen Schluck. Sämtlich Geschmacksnerven in deiner Mundhöhle freuen sich. Diese bestialischen Empfindungen in der Mundhöhle, entstanden durch Unmengen von Alkohol, einen Döner auf dem Nachhauseweg, all diese Geschmäcke werden durch einen einzigen Schluck Saft weggeätzt, zerstört. Maracuja-Paradies statt Aschenbecher-Bier-Aroma. Es stellt sich ein wunderbares Gefühl ein. Eine Sinneswahrnehmung, die verzaubert. Ja, du kennst diese Momente, in denen etwas Komisches, aber Faszinierendes passiert. Beispielsweise das Klappern der Jalousie, dass dich in die Ferne schweifen lässt. Oder das Finden eines alten Liebesbriefes, der dein Herz zum Klopfen bringt. Dieses absurde Gefühl, wenn du beim übelsten Hardcore-Song eine Gänsehaut bekommst. Wenn du dich im Moshpit geborgen fühlst. Wenn du in der Kneipe den Geruch dieser einen Frau riechst, obwohl sie überhaupt nicht anwesend ist. Wenn du über die Düne gehst und seit langen wieder einmal das Meer siehst. Wenn du tanzen willst, nur weil sie tanzt.

Geht es dabei nicht immer nur um diese eine, diese unvergleichliche Frau. Die, bei der es egal ist, wenn das Notebook auf den Boden knallt. Bei der es nicht relevant ist, dass alle Daten verschwunden sind, nur weil sie in deiner Nähe ist. Die, für die du mit ihrer Mutter bis nachts um drei Uhr diskutierst, nur weil du neben ihr sitzen kannst. Auch wenn du am nächsten Tag zur Arbeit musst. Die, die dir erst nach dem ersten Kuss das Du anbietet. Die Frau, der du auf der ganzen Welt hinterher fährst, um sie zu besuchen. Die, neben der du liegen bleibst, auch wenn deine Mannschaft ein wichtiges Fußball-Spiel hat. Die, über die du die wohl wichtigste Story deiner Karriere schreiben könntest. Die Person, für die deine Arbeit unwichtig wird. Mit der du alleine zum wohl romantischsten Festival in Norddeutschland fährst. Der du einen Kakao nach Hause bringst, auch wenn es für dich ein Umweg ist.

Es geht um die Traumfrau. Die dich voran bringt, dich kreativ werden lässt. Die deine Gedanken wieder frei fliegen lässt. Die überraschend auf einen Zitronentee vorbei kommt. Die dich inspiriert. Bei der Frau, bei der Du deinen Schlüssel mit Absicht im Auto vergisst, damit sie umdrehen muss. Mit der du vor lauter Diskutieren den Sex vergisst. Sie ist die zweite Luft, die du beim Laufen bekommst. Sie ist die dänische Schönheit, die du anhimmelst. Und sie ist der Freund, der mit zwei Bier in der Hand vor der Tür steht, wenn es dir so richtig scheiße geht.

Aber ist dieses Wesen nur eine Utopie? Nur denkbar, nur vorstellbar aber nicht real? Nein, es ist die Frau, bei der du nicht darüber nachdenkst, etwas zu tun, sondern es aus voller Überzeugung machst. Vor allem, dann, wenn du von der Toilette kommst, es nicht nach Kaffee riecht, zwei Hosen auf dem Boden liegen, die Schuhe durch den Raum geschmissen wurden, die Unterwäsche am Kronleuchter hängt und die beiden blonden Schönheiten im Bett liegen.

Ein aller letztes Mal. In Gedanken meldest Du dich wieder beim Fußball an. Du schreibst endlich die Geschichten, die dich voran bringen. Du gehst mit einem Lächeln im Gesicht zur Arbeit. Du reißt dir den Arsch auf. Du rufst deine besten Freunde an. Schlägst dir die Nächte für ein Projekt um die Ohren. Setzt all deine Energie ein, um dein Ziel zu erreichen.

Und die beiden Mädels werfen dir ein Kondom entgegen. Sie schlagen die Decke zur Seite. Ein Männertraum wird wahr. Doch Du? Du knöpfst den letzten Hosenknopf zu, schnallst den Gürtel enger und gehst. Gehst nach Hause. Wo immer das ist.

Kolumne ist vom 12. Februar 2010. Wir haben das Datum mal vorgedreht.


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