„Wir haben richtig Blut geleckt“ – Kettcar im Interview

Das fünfte Studioalbum „Ich vs. Wir“ feierte gerade ersten Geburtstag und die nächsten Konzerte stehen an. Zeit für ein Interview mit Kettcar-Gitarrist Erik Langer.

Foto: Andreas Hornoff

Hamburg. Nach fünfjähriger Pause haben Kettcar im Oktober 2017 ihr aktuelles Album veröffentlicht. Seitdem sind sie unermüdlich unterwegs, haben nach einer sehr großen Tour im Winter auf zahlreichen Festivals gespielt und stehen nun schon in den Startlöchern für die nächsten Shows. Gitarrist Erik Langer (rechts auf dem Foto) verrät im Interview, warum er vor den Aufnahmen zum ersten Mal Gitarrenunterricht genommen hat und welche seiner persönlichen Lieblingssongs es nie auf die Setliste schaffen.

Vor eurem aktuellen Album hast du zum ersten Mal Gitarrenunterricht genommen. Liegt das an der langen Pause, oder sind eure Songs musikalisch anspruchsvoller als früher?

Es liegt an der Pause und an einem speziellen Erlebnis. Ich war in Berlin im Proberaum einer befreundeten Band, als der Sänger mit einem neuen Song kam und ihn besprechen wollte. Die Band hat sich dann über das Stück unterhalten und es zum ersten Mal gespielt. In meinen Ohren klang es absolut perfekt. Aber von der Unterhaltung habe ich nichts verstanden. Ich hatte keine Ahnung von Musiktheorie. Mein Nachbar hat beim Gitarristen von Fettes Brot Unterricht genommen und ihn mir empfohlen. Das war genau richtig!

Wie ist es nach so einer langen Pause, mit Konzerten, Touren und Festivals wieder richtig Vollgas zu geben?

Total schön! Es gibt nichts, was ich lieber machen würde. Die Pause war für uns gut und wichtig, wir waren ein bisschen ausgebrannt und haben jetzt wieder richtig Bock.

Was hast du in der Pause am meisten vermisst?

Tatsächlich den sehr abwechslungsreichen Alltag eines Musikers, wo es immer etwas zu tun gibt. Musiker sind ein bisschen wie Langzeitstudenten – es gibt immer etwas, das man tun müsste, aber es gibt selten jemanden, der sagt, jetzt musst du wirklich. Manchmal hat man deshalb Druck, beispielsweise wenn wir feste Studiotermine haben, uns aber noch drei Songs fehlen. Oft gibt es aber ganz lange Phasen, in denen man sich einfach selbst motivieren muss.

Gibt es etwas, das sich auf der Bühne anders anfühlt als vor eurer Pause?

Wir machen einfach schon so lange Musik und betrachten den ganzen Kosmos vielleicht unaufgeregter. Natürlich werden auch wir älter, auch wenn es immer noch nicht so ganz bei uns ankommt.

Inwiefern bist du eigentlich am Songwriting beteiligt?

Ich schreibe keine Texte, das überlasse ich gerne Reimer und Marcus. Dafür mache ich die Musik und komponiere auch Songs.

Wie lange dauert ein Song, zum Beispiel „Sommer 89“, von der ersten Idee bis zur finalen Version?

„Sommer 89“ hat tatsächlich ein paar Monate gedauert. Ich hatte die musikalische Idee und war recht schnell begeistert. Marcus fand die Idee ebenfalls sehr gut, meinte aber es sei schwierig, darauf zu singen und zu texten. Es hat tierisch lange gebraucht, bis er auf die Idee gekommen ist, darüber zu sprechen statt zu singen. Plötzlich hat es geklappt. Es ist also ganz unterschiedlich, manche Songs sind in wenigen Stunden fertig, andere wiederum brauchen Monate.

Gibt es einen Song, der besonders schnell ging?

Ich glaube, „Benzin und Kartoffelchips“ ging bei Marcus ziemlich schnell. Ich habe ihn nie gefragt, aber der Song klingt so.

Welcher ist dein Lieblingssong auf eurem aktuellen Album?

Ganz klar „Den Revolver entsichern“. Live sagt Marcus gerne, dass der Songs uns am meisten bedeutet, weil er die Haltung von uns als Band am besten reflektiert.

Gibt es einen Song im gesamten Kettcar-Kosmos, den du als deinen Favoriten bezeichnen würdest?

Das ist schwer! Ganz klischeemäßig sage ich jetzt mal „Landungsbrücken raus“. Es ist für uns als Musiker ein ganz besonderer Song, denn aufgrund der beständigen, besonderen Publikumsreaktion macht es immer wieder großen Spaß, ihn live zu spielen. Auch nach 16 Jahren noch. Ich wundere mich auch immer wieder über dieses Stück, denn selbst im Proberaum macht es total Spaß zu spielen.

So einen Song probt ihr immer noch nach 16 Jahren?

Ja schon, so professionell sind wir dann doch.

Gibt es einen Song, gerade vielleicht von den früheren Alben, den ihr mögt und gerne mal wieder live spielen würdet, der aber einfach nicht in euer Set passt?

Spontan fallen mir da „In deinen Armen“ und „Weil ich es niemals so oft sagen werde“ ein. Beides sind sehr ruhige Songs. Es gibt einige Stücke, die ich hoch schätze, die aber nie Publikumslieblinge geworden sind.

Warum spielt ihr das von Fans häufig gewünschte „Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt“ wiederum so selten?

Eine Zeit lang haben wir es selten gespielt, weil in einer Strophe „Jensen“, ein alter Freund von Marcus vorkommt, der Sänger von Oma Hans und Dackelblut. Die beiden hatten sich zerstritten, das ist mittlerweile aber Geschichte. Wir wollen in unserem Live-Set nicht zu viele Songs haben, bei denen Marcus alleine auf der Bühne ist. Es ist einfach kein Festivalsong. Wenn, dann ist er eher etwas für die Clubbühnen.

Gerade im letzten Jahr habt ihr sehr viele Konzerte gespielt, auf welcher Bühne würdest du gerne nochmal stehen?

Wir haben dieses Jahr auf der Hauptbühne bei Rock am Ring gespielt und hoffen jetzt, nächstes Jahr auf dem Hurricane und Southside spielen können. Da hätten wir alle Bock drauf! Dieses Jahr haben wir auch zum ersten Mal seit zehn Jahren auf dem Immergut gespielt. Es war sehr schön, dort anzukommen und zu sehen, es ist immer noch so nett, gemütlich und familiär. Das Sziget-Festival in Budapest im August war auch etwas besonderes, da wir sonst eher selten den deutschsprachigen Raum verlassen.

Marcus und Reimer erzählen auf der Bühne immer viel. Warum redest du so wenig?

Die beiden machen das sehr gut und ich habe gar nicht das Gefühl, unbedingt etwas beitragen zu müssen. Ich fühle mich so in der Rolle ganz wohl.

Mit eurem jetzigen Album seid ihr sehr politisch geworden. Wie geht diese Entwicklung weiter?

Unsere Songs reflektieren immer das, was uns gerade beschäftigt. Auf der ersten Platte ging es viel um das Innenleben von Marcus und die schwierigen Situationen, in denen er sich persönlich befand. Die Sylt-Platte war gesellschaftskritisch und jetzt ist es einfach politisch geworden, weil wir in besonders politischen Zeiten leben. Schwer zu sagen, wie es weitergeht. Es wird jetzt wieder ein bisschen Zeit ins Land gehen, bis die nächste Platte kommt. Wir sind traditionell nicht die schnellsten. Aber wir arbeiten sogar schon an neuen Songs.

Das macht ihr tatsächlich schon, trotz der ganzen Konzerte und obwohl das Album ja erst ein Jahr alt ist?

Wir haben richtig Blut geleckt und haben Bock. Wir haben keine Lust, uns auszuruhen. Es geht weiter.

Kettcar treten am 7. November in Wolfsburg und am 8. November in Lingen auf. Als Support ist bei beiden Terminen Grillmaster Flash dabei. Tickets gibt es noch im Vorverkauf.

 


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