Christian Kuhn – Nordseedämmerung, Heyne 2020

Vom Großstadtbüro verschlägt es Kommissar Tobias Velten auf die Nordseeinsel Juist - Auftakt einer neuen Krimireihe auf den ostfriesischen Inseln.

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Ihr mögt blutrünstige Thriller? Die darin beschriebenen Opfer werden gequält, gebrochen, getötet? Ihr lest gerne im tiefsten Winter, auf dem Sofa, in eine Wolldecke gewickelt und einem dampfenden Tee in der Hand, über Landschaften, in denen es noch kälter ist, als bei Euch vor der Haustür und die Ödnis fast zum Greifen nahe ist?

Stopp – dann ist der Kriminalroman „Nordseedämmerung“ von Christian Kuhn, erschienen im Heyne Verlag, nicht die richtige Wahl für Euch.

Dieses Buch ist für die Sommermonate bestimmt.

In Zeiten von Corona sollte man ja eh nicht in die Ferne schweifen, warum auch – wenn das Gute so nah liegt und im Strandkorb gut geschmökert werden kann – zum Beispiel auf Juist.

Auf dieser Insel verbringt der Bundespräsident seinen Sommerurlaub und bereitet sich auf sein Fernsehsommerinterview vor. Allerdings stellt sich bald heraus, dass ein Mörder auf ihn angesetzt wurde. Der Kriminalhauptkommissar Tobias Velten wird von Berlin auf die Insel entsandt, um das Sicherheitsteam vor Ort zu unterstützen. Doch der Personenschutz ist nicht der einzige Grund für Veltens unverhofften Aufenthalt auf der Insel. Es soll einen Spitzel in den eigenen Reihen geben, der überführt werden muss.

Dieser Debütroman versucht, vor allem durch seine detailreichen Beschreibungen der Nordseeinsel Juist zu bestechen. Der Autor, der nicht aus dem Norden stammt, beweist zwar Ortskenntnisse, zählt die „Hot Spots“ der Insel, das Kurhotel, die Strandhalle und den Schiffchenteich in der Ortsmitte auf. Allerdings gelingt es Kuhn nicht das Inselfeeling von Juist richtig einzufangen und wiederzugeben. Der Spannungsbogen ist arg vorhersehbar. Velten, von Selbstzweifeln verfolgt, kommt auf die Insel, fragt sich, was er überhaupt auf der Insel soll, lernt eine Frau kennen und bekommt, und das ist wirklich eine humorvolle Idee, von seiner Kollegin einen Juist-Krimi geschenkt. Trotzdem bleibt die Figur des Kriminalhauptkommissar blass, so auch wie seine Kollegen. Auch die politischen Exkurse wirken an manchen Stellen etwas bemüht und schnell reingepresst, um eine Art Brückenschlag in die Wirklichkeit zu schlagen.

ABER: Das Buch ist durchaus solide, liest sich schnell weg, einmal angefangen, lässt sich der Roman tatsächlich schwer zur Seite legen, zu groß ist der Drang, zu wissen, wie es weitergeht – vielleicht passiert ja noch was? Und das ist ja eigentlich, was von einem guten Kriminalroman erwartet werden kann. „Nordseedämmerung“ ist wie ein leichtes Meeresrauschen, an einem sonnigen Tag, auf der Insel und das ist doch genau das Richtige zur Untermalung des eigenen Urlaubs. Für das richtige Inselfeeling kann schließlich nach dem Schmökern selbst gesorgt werden, mit einem Ausflug ins Teehus oder einem Strandspaziergang bis ins Dörfchen Loog.

 


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