Ruhestörung! Heute: Konzertpreise – Der Bogen ist überspannt

Punk- und Indiekonzerte für über 30 Euro? Stadionshows für bis zu 800 Euro pro Ticket? Wie lange soll das gut gehen?

Konzerte sind toll. Mit Freunden und Fremden gemeinsam Musik genießen, den Moment bewusst erleben, dabei sein, statt bloß zugucken, so etwas funktioniert nur auf einem Livekonzert. Vor Jahren ein Erlebnis für Jedermann. Tickets aus dem Indie-/Alternative-/Punkspektrum kosteten häufig, egal ob im Wehrschloss, Lagerhaus, Römer oder Schlachthof zehn Euro im Vorverkauf und zwölf Euro an der Abendkasse. Amerikanische oder britische Gruppen nahmen auch mal 15 bzw. 18 Mark. Und große Rockkonzerte im Weserstadion oder der Stadthalle kosteten selten mehr als 60 Mark. Michael Jackson mag da vor 20 Jahren eine Ausnahme gewesen sein. Am gleichen Tag fand in Bremen allerdings die Flying High Accross Skate Tour mit Bands wie SNFU, Millencollin und vier oder fünf weiteren Gruppen im Schlachthof statt, für einen Ticketpreis von unter 30 Mark. In jeden Fall waren Konzerte erschwinglich und dienten prinzipiell der Werbung zu einem neuen Album. Heute ist es umgekehrt. Platten werden gemacht, um einen Grund zu haben auf Tour zu gehen. Spätestens nach der Einführung des Euros und dem Siegeszug von Napster stiegen die Eintrittspreise ins mittlerweile, wie ich finde, absurde. Besonders bei amerikanischen Bands sind Abendkassenpreise von deutlich über 30 Euro keine Seltenheit mehr. Dabei sprechen wir immer noch über Bands aus dem sogenannten Indiebereich.

So werden Konzerte für ein Erlebnis für Bessergestellte. Ich stelle mir folgende Situation vor. Eine interessante Band ist in der Stadt. Spontan hat ein Pärchen oder zwei Freunde Lust dieses Konzert zu besuchen. An der Abendkasse werden dann gemeinsam 70 Euro fällig (Und wir sprechen hier durchaus nicht nur vom Pier 2 oder Aladin, sondern auch kleineren Clubs.) Spätestens nach dem einem oder anderem Getränk und einem eventuellen Besuch am Merchtisch wird die 100 Euro Marke geknackt. Für zwei bis zweieinhalb Stunden Entertainment! Das ist sehr viel Geld.

Bei Großveranstaltungen ist die Situation noch krasser. Da wird die 100 Euro Marke nicht selten bereits bei einem Eintrittsticket geknackt. Für den billigsten Platz bei den Rolling Stones in Hamburg vor ein paar Wochen mussten 127 Euro zusammengekratzt werden. Die Staffelung reichte bis knapp unter 1000 Euro für eine Karte. Dennoch war das Konzert (angeblich) ausverkauft. Pink Floyd Mastermind Roger Waters nimmt in Hamburg für einen Sitzplatz der Kategorie 1, sage und schreibe 300 Euro pro Nase. Und auch der von mir hochverehrte Bruce Springsteen hat bereits vor Jahren die 100 Euro Schallmauer pro Ticket geknackt und ruft 120-150 Euro für halbwegs vernünftige Steh- und Sitzplätze ab. In ähnlichen Bahnen bewegen sich auch U2. Für die Show Springsteen on Broadway gab es zwei Kategorien: 75 – 400 USD und 400-800 USD, für einen knapp zweistündigen Abend ist das viel Geld. In diesem Zusammenhang empfinde ich den Konzertpreis für eine Legende wie Steve van Zandt in einem kleinen Club in Hamburg für 50 Euro oder Noel Gallagher für 45 Euro im Theater am Großmarkt schon als günstig.

Nicht falsch verstehen, es geht mir nicht um die Clubs in Bremen oder gar die Veranstalter, die diese Gruppen überhaupt nach Bremen holen und damit einen kulturellen und abwechslungsreichen Beitrag in der Stadt leisten.  Diese Beteiligten können auch nur die Gagen zahlen, die von den Künstlern oder deren Management aufgerufen werden. Wahrscheinlich können wir alle froh sein, dass sich überhaupt jemand reinhängt und etwas auf die Beine stellt. Allerdings müssen die Künstler sich früher oder später überlegen, was sie dem Publikum noch zumuteten wollen. Und die Fans müssen entscheiden, wo ihre persönliche Schmerzgrenze liegt. Noch ist die Faszination Livemusik ungebrochen, der Markt boomt und wächst weiter. Die Preise allerdings auch.


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