„Fähnchen sein ist nicht so mein Ding“ – Broilers im Interview

Sie sind Stammgäste auf den größten deutschen Festivals und waren mehrfach an der Spitze der Albumcharts. Beim Hurricane Festival haben wir die Broilers zum Interview getroffen.

Broilers - Hurricane Festival 2018

Bremen/Scheeßel. Über eine Viertelmillion Fans begeisterten die Broilers auf den Konzerten ihrer letztjährigen (sic!)-Tournee. Das gleichnamige Studioalbum landete, wie auch der Vorgänger, auf Platz eins der Charts und wurde für seine Verkäufe mit einer Goldauszeichnung veredelt. In diesem Jahr spielten die Broilers als Co-Headliner auf dem Hurricane Festival, wo wir uns mit Gitarrist Ron und Bassistin Ines verabredet haben.

Ihr kommt aus der Punkrock- bzw. Oi-Szene, geltet aber seit eurem sechsten Album „Noir“ aus dem Jahr 2014 eher als Rockband. Worin liegt dieser Stilwechsel begründet?

Ines: Es war und ist eine ganz natürliche Entwicklung. Die Aufnahmen zu unseren ersten Alben liegen lange zurück, dementsprechend haben wir uns natürlich verändert und sind auch musikalisch besser an den Instrumenten geworden.

Ron: Wir haben unseren eigenen Horizont erweitert und weitere Einflüsse eingebracht. Jeder hört andere Musik und es vermischt sich in unseren Songs.

Auf (sic!) sind die Verstärker wieder voll aufgedreht. War die Grenze, wie weit ihr in Richtig Popmusik gehen wollt, erreicht?

Ines: Wir nehmen unsere Platten immer so auf, wie wir uns sie vorstellen und sie musikalisch gerne hätten. Bei (sic!) hat es sowohl die Zeit, als auch die musikalische Umsetzung gebracht, dass wir wieder etwas lauter und rockiger geworden sind.

Ron: Mit „Noir“ haben wir uns so weit in den Pop-Bereich bewegt, wie wir es selber wollen. Jetzt war uns wieder nach mehr Rock-Elementen. Wir wollen ja nicht ständig das gleiche machen.

Wie würdet ihr jemandem, der euch noch nie gehört hat, den jetzigen Broilers-Sound beschreiben?

Ines: Wenn ich neue Leute kennenlerne, komme ich häufig in diese Situation. Bei mir ist die Antwort davon abhängig, wie das Gegenüber musikalisch versiert ist. Wenn jemand nicht so musikinteressiert ist sage ich meistens, es ist netter Punkrock. Die meisten können damit etwas anfangen.

Ron: Broilers-Sound als Begriff trifft es ganz gut. Natürlich liegen die Wurzeln im Punkrock, aber durch die Jahre sind viele Stile dazugekommen.

In welche Richtung entwickelt ihr euch auf zukünftigen Aufnahmen?

Ines: Da müssen sich die Hörer noch ein wenig gedulden und sich überraschen lassen. Wir haben noch nicht wirklich mit neuen Songs angefangen und werden selber erst sehen, wo die Reise hinführt.

Textlich ist (sic!) wütend, aber auch sehr persönlich. Was inspiriert oder motiviert euch zu einem Text?

Ines: Sammy schreibt bei uns die Texte und stellt sie uns im Proberaum vor. Dort besprechen wir sie, bis jeder dahinter steht. Er läuft mit offenen Augen durch die Stadt und lässt sich von seinem Gemütszustand, aktuellem und frischem Input und natürlich auch von politischen Tagesthemen inspirieren.

Weshalb produziert ihr jetzt unter eurem eigenem Label?

Ron: Wir haben schon immer viel selber gemacht. Für uns war klar, wenn wir die Chance dazu haben, machen wir ein eigenes Ding. Da sind wir unsere Chefs und können selbst bestimmen, was wir machen wollen und wo das Geld hinfließt.

Ines: Bei den Leuten, die im Background mit uns zusammenarbeiten, haben wir schon immer das durchgeboxt, was wir an Musik machen möchten. Jetzt ist es einfacher, da wir nicht mehr diskutieren müssen, weshalb wir etwas gerne so hätten. Wir entscheiden als Band und können komplett für uns selbst bestimmen, was wir wollen und es wird auf den Weg gebracht. Das erleichtert vieles, vor allem spart es eine Menge Zeit.

Schaut man sich auf Rockfestivals um, ist der Anteil von Frauen auf der Bühne immer noch auffällig gering. Warum ist das so?

Ines: Ich finde es schade, dass oft nur auf die Bühnen geguckt wird. Bei großen Veranstaltungen arbeiten gerade Frauen ganz häufig im Background. Die werden meiner Meinung nach oft vergessen. Auf den Bühnen ist es tatsächlich so, einen Grund dafür kann ich aber nicht nennen. Vielleicht sollte man Frauen einfach noch mehr ermutigen, auf die Bühne zu gehen, wenn sie Lust dazu haben.

Ron:  Zu unserem Glück war Ines schon vor der Bandgründung in unserem Freundeskreis.

Ihr spielt in Hallen vor über 10.000 Besuchern. Womit lässt sich dieses Gefühl vergleichen, wenn ihr so eine riesige Menschenmasse vor euch seht?

Ines: Glück und Dankbarkeit!

Ron: Es ist einfach Euphorie pur. Bei Hallenkonzerten wissen wir, dass die Besucher wirklich alle nur für uns gekommen sind. Das ist wahnsinnig krass! Bei Festivals sind es manchmal noch mehr Leute, aber das Publikum ist gemischter. Bei unseren eigenen Shows gehen von vorne bis ganz hinten alle ab und feiern.

Ines: Ich finde es immer wieder schön zu sehen, wie viel Musik generell bewegen und erreichen kann, ganz egal ob es unsere Musik ist oder die von anderen Künstlern.

Was hat sich in euren Abläufen geändert, seitdem ihr solch riesige Konzerte spielt?

Ines: Wir saufen nicht mehr so viel, zumindest vor dem Konzert. Auf die Bühne gehen wir gut gelaunt, aber immer halbwegs nüchtern. Das haben wir schon vor ganz langer Zeit so eingeführt. Ansonsten sind die Rituale relativ gleich geblieben.

Legt sich die Nervosität nach so vielen Auftritten oder steigt sie eher wegen der größeren Hallen?

Ines: Bei uns in der Band ist es ganz unterschiedlich. Ich bin immer unglaublich nervös, ganz egal vor wie vielen Leuten wir spielen. Vor allem, wenn wir länger nicht gespielt haben. Auf Tour gehe ich aber nach einigen Shows nicht mehr mit Herzrasen und schweißnassen Händen auf die Bühne, sondern bin deutlich entspannter.

Ron: Eine gesunde Nervosität sollte schon da sein, damit es nicht zu routiniert wird. Es sollte immer etwas besonderes bleiben.

„Nur ein Land“, der Opener eures aktuellen Albums, hat gerade wieder, abgewandelten, aktuellen Bezug durch die Fußball-WM bekommen. Wie viel Autofahne ist okay?

Ron: Ich bin kein Freund davon und sehe es etwas globaler. Jeder soll sich über seine Mannschaft freuen, aber ich bin eher Vereinssportler und unterstütze da meinen Verein. Ich bin kein Fan der deutschen Nationalmannschaft, andere Teams spielen um einiges attraktiver und besser. In meinem Freundeskreis sagen genug Leute Dinge wie „wenn wir heute Abend spielen“. Wer ist „wir“? Also ich spiele da nicht mit.

Ines: Ich bin in jeglicher Hinsicht kein Freund von Fähnchen. Es fühlt sich mehr wie eine kurze Saison an, ähnlich wie Halloween, Weihnachten oder Ostern. Zur WM holt man nicht die Ostereier raus, sondern schmückt die Wohnung mit Fähnchen. Aber Fähnchen sein ist nicht so mein Ding. Trotzdem kann ich es nachvollziehen, die Freude und der Spaß sollte aber in erster Linie auf dem Fußball liegen. Ich finde es nicht schön, in Düsseldorf an jeder Häuserwand die Fähnchen zu sehen.

Ron: So hat es halt etwas von Teilzeit-Fans.

Ines: Eventfans oder Party-Patriotismus wird dann direkt großgeschrieben.

Als Headliner neben Billy Talent habt ihr heute sehr viel Zeit vor eurem Auftritt. Wie verbringt ihr die Stunden?

Ron: Wir essen gleich etwas, im Künstlerbereich steht eine große Carrera-Bahn und vielleicht gucken wir uns einige Bands an. Damit lässt sich die Zeit auf Festivals schön überbrücken. Zusätzlich stimmt man sich damit selber ein. Ansonsten fangen wir die Atmosphäre ein, führen Interviews und hängen zusammen ab.

Am 25. August veranstalten die Broilers mit dem „City Riot Fest“ ihr eigenes Festival mit vielen Gästen. Es ist die letzte Gelegenheit, die fünf Düsseldorfer nochmal live zu sehen, bevor sie sich zurückziehen, um Songs für ein neues Album zu schreiben. Neben den Broilers treten Flogging Molly, The Selecter, Booze & Glory, Drangsal und Emscherkurve77 auf. Das „City Riot Fest“ findet in Wiesbaden statt.

Tickets und weitere Informationen gibt es hier.

Hier seht ihr unsere Bildergalerie vom Hurricane-Auftritt der Broilers.

In unserem Tagesbericht vom Hurricane-Freitag könnt ihr unseren Eindruck vom Konzert der Broilers nachlesen.

 


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