Wieso Oskar Brozek Indierock ist und wer nicht.

Die Bremer Band She Danced Slowly spielen am kommenden Freitag bei Indie Weser Terassen 3.0 mit Katie Ellen (US) und kündigen neue EP auf dem Berliner Label Funk Turry Funk an. Da tut sich was!

Wie oft lesen wir bei Konzertankündigungen das Wort „Indierock“ und stehen anschließend vor einer Band, die musikalisch gut genug ausgebildet worden ist um ihren Stadionrockhelden wie den Foo Fighters, Muse, Biffy Clyro und vielen anderen bestimmt guten aber wenig indierockesken Bands hörbar nacheifern zu können?  In eitlen Rockstarposen werden dann häufig formvollendete  Langhaarfrisuren zu kalt kalkulierten Trivialtextfragmenten geschüttelt, die Publikumsanimationen laden zum Fremdschämen ein und zumindest der Indierocker fragt sich: Gibt es hier irgendwo ein Nest? Oder gibt es dafür Ausbildungslager wie die rumänischen Bauernhöfe, in denen die Menschen mit den kleinen Krücken vom Hamburger Hauptbahnhof zu Profischnorrern ausgebildet werden? Doch eines steht fest: Mit Indierock hat das nichts zu tun, denn Indierock ist kein Sammelbegriff für gescheiterte oder aufstrebende Stadionrocker, Indierock musiziert ganz bewusst und mit Ansage an den Belanglosigkeitszyklen des Stadionrocks vorbei. Dadurch haben sich Indierockbands aus sich selbst heraus schon einer gewissen Massenuntauglichkeit verschrieben, dessen Erfolg einzig auf der Einzigartigkeit und Beharrlichkeit  der Band aufbaut. Ein irrer und steiniger Weg, der für Musiker nicht selten in einer persönlichen Tragödie endete.

Als ich die Bremer Band She Danced Slowly im Februar 2018 zum allerersten Mal durch ihr Musikvideo zu „Joy“ wahrgenommen habe, hatte ich sofort das Gefühl einer solch echten Indierockband zuzuhören. Ein Sprechgesang, den ich irgendwo zwischen Aidan Moffat (Arab Strap) und Mark E. Smith (The Fall) verorten würde, arbeitet sich an einer eindringlichen und sich immer wiederholenden Bassmelodie und  treibenden Schlagzeug ab. Als die Geschichte zu Ende erzählt ist, bricht der Song schließlich ganz formunvollendet und ohne Ankündigung ab. Es ist die einzigartige Performance  der scheinbar einfachen musikalischen Mittel die She Danced Slowly zu dem machen was sie sind: Eine Band, in deren Musik man sich zunächst reinarbeiten muss bevor man ihre  ganzheitliche Ausdrucksstärke begreift. Im Mittelpunkt: Der Gesang von Oskar Brozek.

„Porträt ist das das falsche Wort, eher Polaroid
aus unvorteilhaftem Winkel mit Überbelichtungsflecken,
Schönheit bedeutete mir nie was .“
– Oskar Brozek

Oskar ist 24 Jahre jung. Mit Tresenjobs, Musikunterricht und dem Booking anderer Künstler hält er sich finanziell so über Wasser, dass er  Musik machen kann, ohne auf Gagen oder Plattenverkäufe angewiesen zu sein. So geht es zwar vielen – wenn nicht sogar den meisten –  Musikern, aber seine Art von Musik schürt wenig Hoffnung mit einem Überraschungshit die eigene Lebenssituation grundliegend verändern zu können. Er wird sich seine Hörerschaft beharrlich aufbauen müssen, will er sich irgendwann mal ein gebrauchtes Fahrrad davon kaufen können. Doch er wirkt dabei ganz und gar nicht unglücklich. Was auch immer Oskar in seinem Leben macht, er ist dabei ein guter Beobachter und diese Gabe ist  für sein musikalisches Schaffen ein Grundbaustein. „Wenn ich mir angucke wie Leute ihr Leben bestreiten, dann tauchen bei mir immer die Fragen auf ob das noch gesund ist und wohin das wohl führen mag“, erzählt Oskar. „Ich struggle auch viel mit mir selbst und manchmal kommen mir meine Songs wie ein eigenes Porträt  vor“, so Oskar weiter.  Im weiteren Verlauf der Diskussion sagte er dann „ Porträt ist das das falsche Wort, eher Polaroid aus unvorteilhaftem Winkel mit einigen Überbelichtungsflecken, Schönheit bedeutete mir nie was “. Und so saß ich dann nicht unbeeindruckt da, der alte Mann, der den jungen Möchtegern-Wilden nur allzu gerne nachsagt, lediglich selbstverliebt in ihrem Musikersandkasten an ihrer jugendlichen Attraktivität rum zu spielen, die ihr Ende bei den meisten ja dann auch schon in einigen Jahren finden wird.

„Ich will nicht der Typ sein,
der 10.000mal in Bremen spielt
und nirgendwo anders!“
– Oskar Brozek

In den letzten beiden Jahren tourte er mit She Danced Slowly im Vorprogramm von Bands wie Nervous, Blond, Nothington, The Underground Youth oder Martha quer durch die Republik und brachten es dabei auf über 140 Konzerte. Das Booking dafür machte er selbst, seine Platten nahm er bislang in Eigenproduktion auf. „Ich will nicht der Typ sein, der 10.000mal in Bremen spielt und nirgendwo anders“, so Brozek. Dann verrät er, dass das Berliner Label Funk Turry Funk ihre kommende EP „Complicated Feelings“ veröffentlichen wird und She Danced Slowly damit erstmals fremde Unterstützung bekommen werden.  Und auf diesem Label geben sich She Danced Slowly dann plötzlich die Türklinke mit Bands wie The Ataris und No Fun At All in die Hand. Ob sie die Beharrlichkeit ihrer Labelkollegen an den Tag legen werden ist noch ungewiss, aber die Chancen den nächsten wichtigen Meilenstein durch ihre neuen Veröffentlichung zu erreichen sind definitiv gestiegen und der wäre: Sich nur noch um die eigene Musik kümmern zu müssen, mehr Beachtung zu finden und touren zu können. Ein ganz normales Indierockleben eben.

She Danced Slowly spielen am kommenden Freitag, den 22.03.2019, bei Indie Weser Terassen 3.0 im Vorprogramm von Katie Ellen (IndiePunk/USA).


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